Woanders …

Erstmals fand das „Labor der Künste“ 2020 nicht in Montepulciano statt. Doch was passiert mit dem Labor ohne diesen besonderen Arbeitsort? Sicherlich nicht „Nichts“! Denn auch in diesem Jahr wollten Künstler*innen verschiedenster Gewerke ein gemeinsames, interdisziplinäres Arbeiten erproben. Ob und wie das gelang …? Ausgestattet mit einem inspirierenden Input zum Thema interdisziplinäre künstlerische Forschung startete die Gruppe schon im Sommersemester ein gemeinsames Nachdenken über verschiedene Themenbereiche, die die Lehrenden in die Projektphase anbrachten. Ab dem 28. September begann dann in einer zweiwöchige intensiven Arbeitsphase mit verschiedenen Formaten das Experimentieren in Laboren und Projektgruppen.

Illustration: Nora Prinz

Projektskizzen …

Ein wichtiger Meilenstein in der interdisziplinären künstlerischen Projektarbeit bildete die Abgabe der „Projektskizzen“ am Freitag, 1. Oktober, dem Ende der ersten Arbeitswoche. In diesen Projektskizzen waren die Arbeitsgruppen aufgerufen, ihr Vorhaben und ihre Herangehensweise zu verschriftlichen und Wünsche hinsichtlich der zu betreuenden Mentor*innen anzugeben. Diese Skizzen bildeten auch den Start in die zweite Phase des Projekts, in der die Arbeitsgruppen dezentral mit ihren jeweiligen Lehrenden arbeiteten.

Foto: Peter Schumbrutzki, Kolleg Jahresprojekt 2012

Wochenkarten aus dem Café

Immer noch schmackhaft … Die Vorschläge der letzten „Wochenkarten“ aus dem Café:

Wochenkarte vom 18.09.-02.10.2020

Zum Hören:
Klangkunst von der italienischen Vokalistin Alexandra Eramo

Zum Hingehen oder Fahren:
Ausstellung „I will survive“ von Hito Steyerl im K21 in Düsseldorf

Zum Hinfahren:
Opernbesuch trotz Corona: Der italienische Komponist Carlo Ciceri hat eine pandemiegerechte musikalische Neufassung der Oper „La Traviata“ erarbeitet, die in der Inszenierung von Bruno Klimek ab dem 19. September im Staatstheater in Kassel zu sehen ist.

Wochenkarte vom 11.09.-18.09.2020:

Zum Hören:
Die Künstlerin Diana Lelonek, die in ihren Arbeiten die Beziehung zwischen Menschen und anderen Spezien untersucht, hat sich im Rahmen einer Residenz beim Culturescapes Festival in Basel im Jahr 2019 mit dem Soundkünstler und Komponisten Denim Szram mit dem Verschwinden der Alpengletscher beschäftigt. Grundlage der Zusammenarbeit waren Tonaufnahmen der Gletscher Rhone, Aletsch und Morteratsch, die Szram in eine Art Symphonie des Verschwindens verwandelt hat. Entstanden ist eine Multikanal-Installation für leere Ausstellungsräume: Der klassische „white cube“ des Ausstellungsraumes wird ganz bewusst nicht mit Objekten, sondern allein mit dem Sound gefüllt – und hinterlässt auch die Frage: Was bleibt übrig?

Zum Mitmachen:
Wie werden Menschen in hundertfünfzig, dreihundert oder tausend Jahren unser heutiges Leben beurteilen? Wird es von den Dingen, die virtuell/digital passieren, Spuren geben? Was wird von ungedruckten Fotos, digitalen Videos und Sounds unseres Alltags, oder von den digitalen Künsten noch zu sehen sein? Und welche Überlieferung wird davon bleiben, wie die Pandemie seit dem März 2020 in das Leben der Menschen eingegriffen hat? Wissenschaftler*innen der Universitäten Hamburg, Bochum und Gießen haben zur Bildung einer solchen Überlieferung ein Corona-Archiv ins Leben gerufen: Jede*r kann sich beteiligen und zur Geschichtsschreibung beitragen, indem Erlebnisse, Gedanken, Medien und Erinnerungen zur Corona-Krise in das digitale Archiv in Form von Fotos, Bilder, Videos, Audios, Textdateien hochgeladen werden. Und mit der Breite des Aufrufs wird auch direkt ein Problem deutlich: 3172 „Objekte“ wurden Stand 10.9. hochgeladen. Was aber davon in 150/300/1.000 Jahren für die Forschung noch sichtbar sein wird, beantwortet das Archiv (noch) nicht …

Zum Lachen (oder Aufregen …):
Das so genannte „Mansplaining“ hat sicherlich Jede*r schon einmal erfahren: Männer, die vor allem Frauen (aber auch anderen Männern) die Welt erklären und sich bevorzugt in Unterhaltungen, Seminaren oder Konferenzen sozial breitbeinig aufstellen müssen. Die amerikanische Autorin Nicole Tersigni hat im letzen Jahr auf Twitter einen großen Erfolg damit gehabt, altmeisterliche Kunstwerke, die sie durch die Suchanfrage „Frauen umgeben von Männern“ ermittelte, mit brillianten neuen Titeln zu versehen, die dem „Mansplaining“ einen Spiegel vorhielten. Das ganze Projekt ist jetzt von einem amerikanischen Verlag mit dem schönen Titel „Men to Avoid in Art and Live“ als Buch herausgegeben worden und verhilft der Technik der Collage, die schon die Dadaisten liebten und eine schöne interdisziplinäre Methode ist, zu einer neuen Aktualität. Einen Einblick in das Projekt bringt ein Beitrag der Journalistin Ursula Scheer für die FAZ.
Bücher bleiben eben!

Wochenkarte 28.08.-04.09.:

Für die Intellektuellen:
Der emeritierte Professor Hans Ulrich Gumbrecht hat durch einen Gastbeitrag in der Neuen Züricher Zeitung eine Diskussion über die Wirksamkeit und die Bedeutung des Intellektuellen angestoßen. Der Beitrag zeigt einige Facetten zum Selbstverständnis des Intellektuellen.

Für die Ohren:
Diese Debatte wiederum wird in einem Beitrag des Deutschlandfunk Kultur von Milosz Matuschek mit einer Gegenposition befeuert.
Sie findet sich unter dem Titel „Die ängstlichen Intellektuellen“ im Netz und lohnt das Anhören!

Wochenkarte 04.09.-11.09.:

Menü 1 – Sehen:
In Berlin findet noch bis zum 31. August die internationale Zusammenkunft von Tänzer*innen mit dem Titel „Tanz im August“ statt. Es  lohnt sich, einmal zu diesem Festival im Netz zu stöbern. Verschiedene Tanzstile  aus unterschiedlichen Kulturkreisen finden ihre Gestalt und werden zur Diskussion gestellt:

Menü 2 – Hören:
Kann etwas klingen wie zwischen Lüftung und Panflöte? In diesem interessanten Radiobeitrag werden Instrumentenentwickler*innen aus Kalifonien mit ihren Klang-Maschinen vorgestellt und deren Bedeutung historisch eingeordnet. Die Klänge sind vielfältig und regen zur Auseinandersetzung an:

Experimentieren im „SummerLab“

Eine Gruppe von Studierenden der sieben Kunst- und Musikhochschulen NRWs arbeitete im Rahmen des Kolleg-SummerLabs bereits im Juli unter besonderen Bedingungen. Teilnehmer Luis Romero fasst seine Erfahrung so zusammen:

„Das Projekt stellte sich auf unterschiedliche Weise als Herausforderung dar, die unter der Betreuung der Lehrenden aber auch neue Herangehensweisen zu einem interdisziplinären Austausch eröffnete. Besonders faszinierend für mich war die Leichtigkeit wie das Team der Lehrenden und die Studierenden in einen Dialog kamen – und dieser war sehr ernst. Persönlich finde ich gut, dass ich in keinem Moment eine Hierarchie fühlte, ganz im Gegenteil herrschte eine fruchtbare Atmosphäre. Auf weitere Projekten freue ich mich deshalb sehr.“

Einen Zugang zu der während dieser Zusammenarbeit entstandenen Video-Arbeit „Luis und das absolute Vakuum“ (von und mit Luis Romero, Suhyun Park, Jakob Ertl und Insa Schülting) findet ihr im Ilias-Ordner („Interdisziplinäres“)!

Bild: Video-Still aus der Arbeit „Luis und das absolute Vakuum“ (Luis Romero, Suhyun Park, Jakob Ertl und Insa Schülting)

Freie Improvisation

Von Maeva Rabassa

Ich hatte einige kleine Erfahrungen mit freier Improvisation, allein oder mit anderen Menschen. Und mich fasziniert, dass diese Form wirklich Raum für Fantasie lässt. Improvisieren ist jedoch keine einfache Übung, da sie unsere Wahrnehmung der Musik, die wir aus der Kindheit lernen, in Frage stellt. Es ist schwierig, Kontraste zu erzeugen und sich nicht auf statische Dinge einzulassen. Aber Improvisation erlaubt auch, sich auf die Emotionen selbst zu konzentrieren. Meiner Meinung nach können wir uns dank eines Flusses, eines Schattens, eines Timbres usw. ausdrücken und eine Dynamik mit einer Energie geben, auf die wir hin wollen.

Wenn man mit anderen Menschen improvisiert, sind diese Dimensionen umso wichtiger, als wir lernen müssen, zuzuhören, zu fühlen und vor allem auf das zu reagieren, was vorgeschlagen wird. Wir müssen aber auch lernen, unseren Platz einzunehmen und einen Vorschlag zu machen. Meiner Meinung nach ist es ein reichhaltiges Kommunikationsmittel. Ebenso wie bei der Kammermusikarbeit glaube ich, dass die Beteiligten sich verbinden und ihre Partner kennenlernen müssen. Ich denke, Improvisation erfordert Übung und Übung.

Ich habe diese Woche an einem Improvisations- und zeitgenössischen Musikworkshop teilgenommen. Ich habe diese Erfahrung letztes Jahr schon einmal gemacht, aber das Gute ist, dass es nie dasselbe ist. Die Bedingungen ändern sich, und die Menschen auch. Und unsere Gefühle und Emotionen auch. Wir drücken also niemals dasselbe auf dieselbe Weise aus. Meiner Meinung nach macht dies die Improvisation so reich.

Wer …

sind eigentlich die Teilnehmer*innen an diesem besonderen Projekt? Neben den beteiligten Lehrenden stellen wir diese Woche auf unser Teilnehmer*innen-Seite auch einzelne Studierende vor, die sich in wenigen Wochen auf diese besondere Form des interdisziplinären Arbeitens einlassen. Ihr macht auch mit und möchtet genannt werden? Dann meldet euch bei der Redaktion!

Fahrplan?

Gibt es so etwas wie einen Fahrplan für interdisziplinäre künstlerische Forschung ? Auf der digitalen Vorkonferenz am 19. Juni hat Dr. Evelyn Buyken einen solchen in ihrem Vortrag „Von Rändern, Schnittmengen und Perspektiven: Wege interdisziplinären Arbeitens in der künstlerischen Forschung“ versucht aufzustellen: Er beginnt bei „Neugier“, gefolgt von „Moment der Irritation und des Scheiterns, Routinen erkennen“. Wer wissen will, wohin die Fahrt dann weiter führt, kann jetzt auf unserer Ilias-Plattform den gesamten Vortrag als PDF-Datei noch einmal nachlesen.

Foto: Il-Suk Lee, Münster

Hans Werner Henze in: Die Kunstwerkstätten von Montepulciano

In seinem Aufsatz „Die Kunstwerkstätten von Montepulciano“ beschreibt Hans Werner Henze, was ihn nach Montepulciano trieb und was genau er hier vor hatte:

„Ich dachte, es wäre in Montepulciano möglich, zu beweisen, dass Musik nicht abstrakt und nutzlos ist, nicht nur bloßer Zeitvertreib (…).“

„Ich meinte, man müsse nun verschiedene Maßnahmen ergreifen, um sicher zu gehen, dass Montepulciano in nächster Zukunft ein eigenes bodenständiges Kulturleben haben würde, in dem alle, jung und alt, Leidenschaft, oder zumindest Interesse für eine der vielen Formen des künstlerischen Ausdrucks, die in der europäischen Kultur existieren, entwickeln könnten, wenn ihnen nur danach zumute war.“

Hans Werner Henze in: Die Kunstwerkstätten von Montepulciano, 1984


Kolleg

Das Kolleg für Musik und Kunst Montepulciano wurde 2010 als Kooperation der Kunst- und Musikhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen gegründet. Beteiligt sind an diesem einzigartigen Zusammenschluss die Hochschule für Musik Detmold, die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, die Kunstakademie Düsseldorf, die Folkwang Universität der Künste Essen, die Hochschule für Musik und Tanz Köln, die Kunsthochschule für Medien Köln und die Kunstakademie Münster. Das Kolleg ermöglicht Studierenden dieser Hochschulen in Montepulciano interdisziplinäres, künstlerisches Arbeiten und Forschen, um neue Zugänge zu den Künsten zu erschließen. Die Projekte des Kollegs werden ermöglicht durch Mittel des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und des DAAD.